Sonntag, 12. Juni 2011

Das Leben in meiner Gastfamilie


beim Picknick mit Freunden
Als einziger Freiwilliger, wurde mir die Möglichkeit gegeben in einer Gastfamilie zu leben, worüber ich euch gerne berichten würde. Während andere Freiwillige in ihren eigenen kleinen Zimmern/Wohnungen leben, welche von den Projekten gestellt werden, habe ich die Möglichkeit mit und in einer Gastfamilie zu leben. Natürlich habe ich euch in vergangenen Berichten schon das ein oder andere mal darüber berichtet, wo ich nun eigentlich wohne und wie meine Gastfamilie so aussieht, dennoch finde ich es erwähnenswert ein wenig genauer auf diese besondere Lebenssituation einzugehen. Zudem lebe ich jetzt auch schon seit knapp über 10 Wochen mit den Murdocks zusammen, was doch die eine oder andere Erfahrung mit sich gebracht hat über die ich euch berichten kann.
Als erstes möchte ich erwähnen, dass ich Lara, Dean und natürlich auch den Mädels sehr dankbar bin, dass ich mit ihnen leben kann, denn schließlich ist die Aufnahme eines „Fremden“ auch nichts für Jedermann. Abgesehen von dem erheblichen Einschnitt in die Privatsphäre, entstehen auch gewisse Kosten für die man aufkommen muss. Besonders für Lara und Dean sind diese zwei Aspekte sehr von Bedeutung, da beide durch ihre berufliche Tätigkeit sehr beschäftigt sind. Dean ist ein Japanisch-Lehrer an der katholischen Highschool in der Stadt und Lara ist die Schulleiterin meiner Schule. Da für die Leaning Tree Community School, für welche ich arbeite, dieses Jahr ein ganz besonderes ist, ist Lara sehr beschäftigt. Da die Schule eine Privatschule ist, entscheidet sich dieses Jahr ob die Schule eine weitere Registrierung bekommt und somit weiter unterrichten darf. Zudem endet für sie der Mietvertrag für die Gebäude/Räume in denen unterrichtet wird, wofür auch schon fleißig nach einem neuen Standort gesucht wird – es ist also ein Jahr voller Entscheidungen für diese Schule.
Fish and Chips - selbstverständlicherweise ohne Teller
Demzufolge ist Lara sehr beschäftigt und arbeitet auch regelmäßig an Samstagen und Sonntagen, schließlich möchte sie keine offene Baustelle hinterlassen wenn sie am Ende dieses Schuljahres ihr Amt vorerst ablegt. Denn Dean und Lara möchten mit Tabitha und Lucy ein wenig durch Australien reisen, wozu auch der finanzielle Aspekt wieder in Betracht genommen werden muss. Da man für eine solche Reise auch ein gewisses Budget benötigt, versucht die Familie neben dem geringen Einkommen, welches Lara ohnehin schon hat noch ein wenig Geld zur Seite zu legen, welches durch meine Anwesenheit natürlich auch erschwert wird. Unter solchen Umständen, zeitlicher Stress und finanzielle Sorgen, noch genügend Zeit für die Familie zu finden ist sehr schwierig, zudem ich auch noch das Privatleben der Familie einschränke. Durch diese familiären Umstände weiß ich meine Aufnahme noch mehr zu schätzen, als ich es ohne hin schon tun würde. Auch den Mädchen spreche ich meine Dankbarkeit aus, denn sie teilen seit nun mehr als 10 Wochen ein gemeinsames Zimmer. Aus meiner Zeit in der aboriginal Community weiß ich wie schwer es ist, sein Zimmer zu teilen. Auch wenn es sich hierbei eine komplett andere Voraussetzung vorliegt, weiß ich dies dennoch zu schätzen, schließlich können sich Geschwister auch im Alter von 5 und 7 Jahren hin und wieder auf die Nerven gehen, was besonders bei Mädchen dann mit lautstarkem Geschreie endet. :)

bei Lara's Eltern
Aber wie ist das Leben jetzt nun eigentlich in der Familie?
Grundsätzlich unterscheidet sich mein Leben vermutlich auch nicht von dem anderer Freiwilliger. Ich stehe morgens auch auf, gehe zur Arbeit, gestallte individuell meine Freizeit und gehe abends wieder ins Bett. Wie jedes gemeinsame Zusammenleben erfordert es auch eine gewisse Absprache und Kommunikation, sowie Kompromissbereitschaft und Anpassung. Besonders den letzten Punkt nehme ich mir sehr zu Herzen, da ich aufgrund der gegebenen Umstände, kein weiteres Hindernis sein möchte. Häusliche Pflichten gehören demzufolge auch zum Familienleben dazu – während ich selbstverständlicher weise meine Wäsche selber wasche sowie mein Zimmer sauber halte, bringe ich auch den Müll vors Haus, mache den Abwasch, sauge den Boden – alltägliche Pflichten die in einem Familienleben eben erledigt werden müssen. Doch zum Thema Anpassung kommt natürlich noch einiges dazu, was mir ehrlicherweise in der Vergangenheit ein wenig schwer gefallen ist. Aufgrund meiner relativ sportlichen Freizeitgestaltung mit Fußball und Fitnessstudio, was täglich seine Stunden verschlungen hat, konnte ich relativ wenig Zeit mit der Familie an sich verbringen. Während ich unter der Woche aufgrund der dummen Trainingszeiten nur selten mit der Familie zu Abendessen konnte, war das Wochenende mit den Fußballausflügen nach Perth ebenso ausgebucht. Diese beschäftigte Freizeitgestaltung machte die Integration in die Familie wiederum sehr schwer. Zudem gehören Lucy und Tabitha nicht zu den offensten Mädchen, was die Verbindung zu ihnen um ein weiteres erschwert. Natürlich möchte ich auch kein Kindermädchen spielen, welches rund um die Uhr auf die Zwei aufpasst, aber dennoch spiel ich hin und wieder gerne mit Ihnen ein Spiel oder lese ihnen ein Geschichtsbuch vor. Doch sobald sich die Prinzessinnenstimmung breit macht, verdrücke ich mich meistens doch immer, da ich als 20-jähriger Junge selbstverständlicher weise damit nichts anfangen kann.

winterlicher Abend vor dem Kamin
Da Lara wie schon erwähnt an Wochenenden sehr beschäftigt ist, gibt es nur hin und wieder die Möglichkeit für eine gemeinsame Unternehmung. Da diese wiederum relativ selten stattfinden, möchte ich mich auch nicht bei allen dazu gesellen – zu wichtig ist es, dass die Familie auch ihre Zeit für sich hat. Es fordert demnach ein gewisses Gespür in wie weit ich mich in das Familienleben mit einmischen soll und wo wiederum meine Grenzen sind. Worüber ich mir auch nicht wirklich sicher bin ist das mir noch ein wenig fehlende Familiengefühl. Da bestimmt einige Unklarheiten bei der Definition dieses „Familiengefühls“ auftreten werden, möchte ich das Beispiel des 5. Rads am Wagen heranziehen. Manchmal fühle ich mich überflüssig und fehl am Platz was komisch ist, da man sich in einer Familie schließlich geborgen fühlen soll. Fraglich ist nur, ob dieses Gefühl in einem solchen Zeitraum überhaupt zu entwickeln ist und ich mir manchmal deswegen zu viele Gedanken mache. Worüber ich mir allerdings sehr sicher bin ist, dass ich mit dieser Familie eine echte australische Erfahrung mache, denn im hier reicht der Familienbaum weiter nach australischen Wurzeln, als er es bei vielen anderen Familien tut, welche größtenteils europäische Vorfahren haben. Wenn wir schon beim Thema Vorfahren sind, möchte ich auch hierbei gleich auf die Großeltern eingehen, welche ich bereits auch schon beiderseits kennen gelernt habe. Nicht nur Lara‘s sondern ebenso Dean’s Eltern wohnen in Geraldton, welche ich demnach auch schon kennen gelernt habe. Wie es halt so ist, wird man hin und wieder zum Essen eingeladen oder man schaut gemeinsam ein Footy-Match, nichts wirklich Besonderes. Was die Verwandtschaft anbelangt habe ich also schon den familiären Umkreis kennen gelernt.
Wie ihr also sehen könnt unterscheidet sich das Familienleben an sich relativ wenig vom europäischen, schließlich beeinflussen Traditionen und Kulturen ein solches am meisten welche in Australien doch relativ europäisch sind. Bei der Freizeitgestaltung hingegen bietet sich den Australiern glücklicherweise das ganze Jahr über eine sensationelle Möglichkeit. Da der Großteil der Bevölkerung ohnehin in Küstennähe lebt, spielt der Strand und das Meer eine große Rolle im australischen Life-Style. Auch wenn Australien für das Surfen bekannt ist, ist dieses auch nichts jedermanns Sache, was wiederum nicht heißt, dass dann nur zuhause rum gesessen wird. Wer kein Interesse an dem Reiten der Wellen findet, geht z.B. gern Fischen, Tauchen oder beschäftigt sich mit anderen Wassersportarten. Ein weitere beliebte Freizeitbeschäftigung ist auch das Campen in der Wildnis, mit welcher man versucht dem Stadtleben zu entfliehen. Ein paar Kilometer ins Landesinnere gefahren und schon findet man seine Ruhe. Generell ist das australische Leben relativ locker und lässig, zudem wird es noch von zahlreichen Outdoor-Aktivitäten geprägt. Am liebsten würde ich euch für weitere Informationen das Buch „Kulturschock – Australien“ in die Hand drücken, welche diesen Artikel noch perfekt ergänzen würde, aber dann würde der Eintrag doch ein wenig zu lang werden.
Ich denke, generell in einer Gastfamilie, ob man jetzt in Ghana, Mexiko, Vietnam, Südafrika oder Australien ist, muss man sich seiner Person selbst ersteinmal bewusst werden. Welche Pflichten und Verantwortungen müssen getragen werden und in wie weit muss ich mich als Person dieser Situation anpassen, ohne selbst meine Identität zu verlieren. Diese Erfahrung zu machen ist für mich demnach auch so wichtig, da ich im Bereich der Anpassung und Integration doch einiges gelernt habe, was wiederum in meinem zukünftigen Leben sehr hilfreich sein kann bzw. werden wird. Abgesehen nun von der Familiensituation erwirbt man als Freiwilliger in einem anderen Land extrem viele soziale Kompetenzen, womit ich am Anfang meiner Einreise nie gerechnet hätte.
Auch wenn der Eintrag nun gegen Ende sich ein wenig vom eigentlichen Thema disanziert hat, hoffe ich dennoch, dass ich euch einen Einblick in mein Leben mit der Gastfamilie bieten konnte.
Nichts besonderes, eben alles ein bisschen europäisch ;)

Daniel

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